Patientenakten

Aufbewahrungspflichten

Erben vorhanden:

Sind nach dem Tod des Arztes Erben vorhanden, so geht die Aufbewahrungspflicht als vertragliche Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) auf die Erben über, die diese Pflicht zu erfüllen haben (§ 1967 BGB). Dies ist entweder dadurch möglich, dass die Erben die Unterlagen selbst verwahren. Die Schweigepflicht gilt auch für die Erben (§ 202 Abs. 3 S. 2 StGB).

 

Eigene Verwahrung

Verwahrt der Erbe die Daten selbst, darf er bei berechtigten Anlässen Einsicht in die Patientendaten nehmen. So hat er eventuellen Auskunftsansprüchen nachzukommen, indem er den Patienten Einsicht in ihre Unterlagen gewährt oder entsprechende Kopien erstellt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die ärztliche Schweigepflicht nach § 203 Strafgesetzbuch (StGB) nach dem Tode des Arztes nicht untergeht. Vielmehr ist nach § 203 Abs. 3 Satz 2 StGB auch der Erbe zur Beachtung des beruflichen Geheimnisses verpflichtet. Der Gesetzgeber geht von einem Fortwirken der besonderen Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patienten aus, die nach dem Tode des Arztes durch dessen Erben gewährleistet werden muss.

 

In Obhut Gabe

Die Erben können die Patientenunterlagen aber auch in die Obhut anderer zur Verwahrung übergeben. Eine Patienteneinwilligung ist in diesen Fällen nur erforderlich, wenn derjenige, dem die Daten zur Verwahrung übergeben wurden, die Daten einsehen will oder selbst weitergeben möchte. Eine Übergabe der Patientendaten an die Patienten ist ohne Einwilligung der Erben nicht möglich, da diesen das Eigentum an den Unterlagen zusteht.

 

Keine Erben vorhanden

Sind keine Erben vorhanden oder wird die Erbschaft ausgeschlagen, fallen die Patientendaten einschließlich der Pflichten in Bezug auf die Patientendokumentation eigentlich dem Staat zu. Er hat somit eigentlich dafür Sorge zu tragen, dass die Daten ordnungsgemäß verwaltet werden bzw. in gehörige anderweitige Obhut gegeben werden. In RLP hat sich der Staat der Pflicht über das HeilBG § 22 Abs. 2 entledigt und an die zuständige Ärztekammer delegiert.

 

Faktische Herrenlosigkeit

Ähnlich ist die Handhabe im Falle der "faktischen Herrenlosigkeit" von Patientendaten, d.h. wenn grundsätzlich zwar Erben vorhanden sind, diese sich jedoch nicht um die ordnungsgemäße Verwahrung der Daten kümmern. Auch in diesen Fällen muss sie nach HeilBG die Akten in Obhut nehmen. Da das Eigentum an den Patientendokumentationen dem gesetzlichen Erben zusteht, können die Daten (sei es in Akten- oder EDV-Form) jedoch nicht endgültig an die Patienten bzw. den die Behandlung fortsetzenden Arzt herausgegeben werden. Vielmehr wird einem Auskunftsersuchen eines Patienten dergestalt entsprochen, dass diesem die Akten/Datenträger zur Einsicht mit der Bitte um Rückgabe zur Verfügung gestellt werden.

Patientenakte bei Auflösung der Praxis

Auch im Falle der Auflösung einer Arzt- oder Psychotherapeutenpraxis ist der Praxisbetreiber weiterhin für die Einhaltung der berufsrechtlichen Aufbewahrungspflicht verantwortlich (§ 10 Abs. 4 S. 1 Berufsordnung). Daran knüpft auch seine datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit (Art. 24 Abs. 1 DS-GVO) an. Dies bedeutet, dass der bisherige Praxisbetreiber entweder persönlich und unter Wahrung der Schweigepflicht die Behandlungsdokumentationen bis zum Ablauf der berufsrechtlich festgelegten Dauer aufbewahrt oder dafür Sorge trägt, dass sie in gehörige Obhut gegeben werden. Patienten sind darüber zu informieren, wo sie sich hinwenden können, um Einsicht in die Patientenunterlagen zu erhalten (z. B. Aushang in der Praxis, Anzeige in der Zeitung etc.)

 

Werden die Behandlungsdokumentationen von dem bisherigen Praxisbetreiber nicht persönlich verwahrt, kann er sie einem Dritten in Obhut geben, sofern dabei die Einhaltung der Schweigepflicht sichergestellt ist. Voraussetzung ist dabei zunächst der Abschluss eines Verwahrungsvertrags. Darüber hinaus bedeutet die berufsrechtliche Vorgabe der „gehörigen Obhut“, dass der Verwahrer die Behandlungsaufzeichnungen nicht zur Kenntnis nehmen kann, es sei denn, der betroffene Patient hat darin eingewilligt. Der bisherige Praxisbetreiber muss vor der Übergabe an den Verwahrer überprüfen, ob dies auch tatsächlich gewährleistet ist. Zugleich müssen die bisherigen Patienten auch weiterhin eine Zugangsmöglichkeit zu den sie betreffenden Aufzeichnungen haben. Werden die Unterlagen nicht bei dem bisherigen Praxisbetreiber aufbewahrt, ist vor dem Hintergrund der datenschutzrechtlichen Informationspflichten (Art. 13 f. DS-GVO) und dem daraus resultierenden Grundsatz der Transparenz (Art. 5 Abs. 1 lit. a DS-GVO) eine rechtzeitige Unterrichtung der Patienten geboten.

KEINE Kopierkosten für Einsicht Patientenakte

Patienten haben das Recht auf
kostenfreie Kopie der Patientenakte

Die langjährige Streitfrage um das Recht des Patienten auf eine kostenfreie Kopie seiner Patientenakte hat der Europäischen Gerichtshof nun abschließend zulasten der Ärzteschaft geklärt.

Das Recht der Patienten auf Einsicht in ihre Patientenakte wurde vor etwa zehn Jahren im Bürgerlichen Gesetzbuch kodifiziert und ist in § 10 der Berufsordnung geregelt. Patienten haben das Recht, Einsicht in ihre Akte zu erhalten und können auch elektronische Kopien anfordern. Arztinnen und Arzte sind verpflichtet, sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen ebenso wie Inhalte der Karteikarten beziehungsweise Verlaufsbögen.

Die Hintergrundgeschichte des konkreten Falles begann mit einem Patienten aus Deutschland, der bei einer Zahnärztin in Behandlung war und den Verdacht hegte, dass Behandlungsfehler aufgetreten sind. Um etwaige Haftungsanspruche geltend zu machen, forderte er eine Kopie seiner Patientenakte an. Die Zahnärztin argumentierte, dass der Patient die Kosten übernehmen müsse, wahrend der Patient selbst der Ansicht war, dass ihm eine kostenlose Kopie zustehe.

Schon in den ersten beiden Gerichtsinstanzen hatte der Patient Erfolg. Der Bundesgerichtshof (BGH) legte im Revisionsverfahren den Fall dem Europäischen Gerichtshof vor. Der EuGH entschied ebenso zugunsten des Patienten. Er urteilte, dass die DSGVO das Recht des Patienten verankert, eine erste Kopie seiner Patientenakte zu erhalten, ohne zusätzliche Kosten tragen zu müssen. Der Patient ist nicht verpflichtet, sein Verlangen zu begründen. Wenn der Patient bereits eine Kopie seiner Akte erhalten hat und eine weitere Kopie wünscht, kann weiterhin Kostenersatz verlangt werden.

Christian Wachter
(Syndikusrechtsanwalt)

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